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Wie „hausgemacht“ ist die Demenz-Epidemiologie?

Finnland/Großbritannien/Kanada. Die Zunahme der Zahl dementer Menschen beschäftigt Medizin und Politik und gilt als eine der großen Herausforderungen des kommenden Jahrtausends. Wie eine Studie von T. Erkinjuntti und Mitarbeitern zeigt, stützen sich die epidemiologischen Daten und damit auch zahlreiche Forschungsprojekte auf eine Vielfalt teilweise sehr unterschiedlicher Diagnose-Kriterien. Dies bedingt, daß der Anteil der als „dement“ eingestuften Personen zwischen 3,1 Prozent und 29,1 Prozent schwanken kann, je nach dem welches Diagnostik-Manual man gerade zugrunde legt.

     Zu dieser ernüchternden Feststellung gelangen die Autoren, nachdem sie testweise bei ein und derselben Gruppe älterer Menschen sechs verschiedene Diagnostik-Manuale angewandt hatten, um den Anteil Demenz-Kranker zu bestimmen. Die größte Diskrepanz ergab sich zwischen ICD-10, die unter 1.879 Personen im Alter ab 65 Jahren  3,1 Prozent Demente ermittelte (n = 58), und DSM-III, die auf 29,1 Prozent kam (n = 546). Für diese Diskrepanz zeichneten besonders Unterschiede bei folgenden Faktoren verantwortlich Langzeitgedächtnis, Exekutivfunktionen, soziale Aktivitäten und Symptomdauer. Nur 20 Personen waren allen sechs Manualen zufolge dement!

     Dieses Durcheinander erschwert es öffentlichen Gesundheitswesen, die Versorgung Demenz-Kranker optimal zu planen. Eine allzu enge Auslegung gewährleistet auch nicht, daß  Frühphasen der Demenz erkannt werden, bei denen sich der Krankheitsverlauf am ehesten beeinflussen läßt. Da aus der Diagnose eingreifende rechtliche Konsequenzen abgeleitet werden (Pflegschaft, Testierfähigkeit, Führerscheinentzug), wird auch das Vertrauen in die Medizin erschüttert, wenn sich die diagnostischen Ergebnisse international weiterhin so extrem unterscheiden. Die Autoren plädieren deshalb dafür, die Diagnostik international zu standardisieren, sich dabei vor allem auf die kognitiven Defizite zu konzentrieren und den Begriff „Demenz“ vielleicht sogar aufzugeben.

T. Erkinjuntti u.a.: The effect of different diagnostic criteria on the prevalence of dementia. N. Engl. J. Med. 1997 (337) 1667-74